DigiAgriFoodCH als neues Schlüsselprojekt der Bundesverwaltung
Einführung
Am 30. September 2024 wurde bekanntgegeben, dass das Programm DigiAgriFoodCH des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) neu als sogenanntes Schlüsselprojekt der Bundesverwaltung geführt wird. Mit diesem Vorhaben strebt der Bund die schrittweise digitale Transformation des Schweizer Agrar- und Ernährungssektors an. Das Projekt zielt darauf ab, moderne Technologien in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion zu integrieren, um Effizienzsteigerungen, verbesserte Transparenz und nachhaltigere Praktiken zu ermöglichen.
Schlüsselprojekte der Bundesverwaltung, wie DigiAgriFoodCH, zeichnen sich durch ihre strategische Bedeutung, ihre Komplexität und ihre Risiken aus. Aufgrund dieser Kriterien werden sie unter verstärkte Aufsicht und Kontrolle gestellt, um sicherzustellen, dass die Umsetzung effizient und im Sinne des öffentlichen Interesses erfolgt. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) überwacht diese Vorhaben systematisch, um ihre ordnungsgemäße Durchführung zu gewährleisten.
DigiAgriFoodCH soll nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft im digitalen Zeitalter fördern, sondern auch zur Optimierung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette beitragen. Die Entscheidung, dieses Projekt als Schlüsselprojekt zu definieren, unterstreicht die zentrale Rolle der Digitalisierung in der zukünftigen Agrarpolitik der Schweiz.
Kritischer Bericht im Zusammenhang mit Datenschutz, Bürokratie und Überwachung in der Broschüre zur Digitalisierung des Schweizer Agrar- und Ernährungssektors
Die Broschüre zur Digitalisierung des Schweizer Agrar- und Ernährungssektors beschreibt die Digitalisierungsstrategie des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). Sie hebt die Vorteile der Digitalisierung hervor, wie den effizienteren Einsatz von Ressourcen, die Reduktion des administrativen Aufwands und die Förderung von Innovationen. Gleichzeitig wirft der Inhalt jedoch einige kritische Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz, Bürokratie, die Überwachung von Landwirten und mögliche unnötige Belastungen für die landwirtschaftlichen Betriebe und Konsumenten. In diesem Bericht werden diese Themen ausführlich beleuchtet.
1. Datenschutz und Datensouveränität
Die Broschüre betont mehrfach die Bedeutung von Datensicherheit und Datenschutz in der Digitalisierung des Agrar- und Ernährungssektors. Der Ansatz "Security & Privacy by default" soll sicherstellen, dass der Datenschutz integraler Bestandteil der digitalen Lösungen ist. Trotzdem bleiben kritische Fragen offen:
- Umfang der Datensammlung: Die Broschüre erwähnt, dass die Akteure des Agrarsektors über ihre Daten selbstbestimmt verfügen sollen. Es ist jedoch unklar, welche Art von Daten tatsächlich erfasst wird und wie umfangreich diese Datensammlung sein wird. Werden nur betriebliche Daten erfasst, oder werden auch sensible personenbezogene Daten der Landwirte und Mitarbeitenden gesammelt?
- Datenweitergabe: Es wird betont, dass die Daten zwischen verschiedenen Systemen und Partnern ausgetauscht werden können. Dies wirft Fragen zur Datensouveränität auf. Zwar sollen die Akteure über ihre Daten bestimmen können, aber wie transparent und nachvollziehbar ist dieser Prozess wirklich? Besteht die Gefahr, dass Landwirte gezwungen werden, ihre Daten zu teilen, um bestimmte Dienstleistungen oder staatliche Förderungen zu erhalten?
- Verantwortung und Haftung: Im Falle eines Datenmissbrauchs oder Datenlecks bleibt die Frage der Verantwortlichkeit weitgehend unbeantwortet. Wer trägt die Verantwortung, wenn personenbezogene oder sensible betriebliche Daten kompromittiert werden? Werden Landwirte ausreichend geschützt, oder haften sie selbst für mögliche Datenschutzverletzungen?
2. Bürokratie und administrativer Aufwand
Die Digitalisierung soll laut der Broschüre den administrativen Aufwand in der Landwirtschaft verringern. Die Einführung eines zentralen Datenraums und die Möglichkeit, Daten nur einmal erfassen zu müssen ("Once Only"-Prinzip), sollen die Verwaltung vereinfachen. Doch dieser Ansatz wirft ebenfalls einige kritische Punkte auf:
- Neue bürokratische Hürden: Während einige Aufgaben durch die Digitalisierung vereinfacht werden könnten, besteht die Gefahr, dass Landwirte und Betriebe gleichzeitig neue bürokratische Hürden bewältigen müssen. Die Teilnahme an digitalen Systemen könnte mit einem hohen Schulungsaufwand und Investitionen in neue Technologien verbunden sein. Dies stellt insbesondere kleine Betriebe vor erhebliche Herausforderungen.
- Zentralisierung und Abhängigkeit: Die zentralisierte Datenerfassung und Verwaltung durch das BLW könnte Landwirte in eine starke Abhängigkeit von staatlichen Systemen führen. Obwohl die Idee einer zentralen Plattform wie agridata.ch theoretisch sinnvoll erscheint, könnten Landwirte de facto gezwungen werden, diese Systeme zu nutzen, selbst wenn sie nicht den gewünschten Nutzen oder die erwarteten Erleichterungen bieten.
- Kostenintensive Umstellung: Der Übergang zur digitalen Verwaltung kann mit erheblichen Kosten verbunden sein, sowohl für die landwirtschaftlichen Betriebe als auch für die Steuerzahler. Investitionen in neue IT-Systeme, Schulungen und die Wartung der digitalen Infrastruktur könnten langfristig hohe finanzielle Belastungen darstellen, die nicht unbedingt durch Effizienzgewinne kompensiert werden.
3. Überwachung und Kontrolle der Landwirte
- Kontroll- und Sanktionsmechanismen: Die Digitalisierung eröffnet dem Staat neue Möglichkeiten, landwirtschaftliche Aktivitäten zu überwachen. Ob dies durch Drohnen, Sensoren oder direkte digitale Berichterstattung erfolgt, bleibt offen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass diese Technologien nicht nur zur Effizienzsteigerung genutzt werden, sondern auch zu verstärkten Kontrollen und möglichen Sanktionen führen, wenn Landwirte bestimmte Auflagen nicht erfüllen.
- Eingriff in die betriebliche Freiheit: Der vermehrte Einsatz digitaler Technologien und die damit einhergehende Datenerfassung könnten zu einem Verlust der betrieblichen Autonomie führen. Landwirte könnten gezwungen werden, ihre Arbeitsweise an die Vorgaben digitaler Systeme anzupassen, was ihre Flexibilität und Entscheidungsfreiheit einschränken könnte.
- Misstrauen und Druck: Die Broschüre hebt hervor, dass durch die Digitalisierung Transparenz geschaffen und das Vertrauen der Konsumenten gestärkt wird. Dies könnte jedoch den Druck auf die Landwirte erhöhen, ständig ihre Betriebsabläufe und -daten offenlegen zu müssen. Es stellt sich die Frage, ob diese verstärkte Transparenz nicht auch zu einem Klima des Misstrauens führt, in dem Landwirte das Gefühl haben, ständig überwacht und bewertet zu werden.
4. Willkürliche Zwangsmassnahmen und unnötige Kosten
- Technologische Abhängigkeit: Die Forderung nach der Nutzung neuer Technologien, wie sie in der Broschüre beschrieben wird, könnte zu einem Zwang für Landwirte werden, ihre Produktionsmittel und -methoden umfassend zu digitalisieren. Dies könnte gerade für kleinere Betriebe eine enorme finanzielle Belastung darstellen, da sie möglicherweise in teure Technologien investieren müssen, die sie weder benötigen noch sich leisten können.
- Kostendruck auf die Konsumenten: Die steigenden Kosten für die Digitalisierung könnten letztendlich auf die Konsumenten umgelegt werden. Wenn Landwirte gezwungen sind, teure Technologien anzuschaffen und zusätzliche Verwaltungsaufgaben zu bewältigen, könnten die Preise für Lebensmittel steigen. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft gegenüber ausländischen Produzenten schwächen und den Konsumenten zusätzliche finanzielle Belastungen aufbürden.
- Unnötige Komplexität: Während die Digitalisierung theoretisch zur Vereinfachung beitragen sollte, könnte sie in der Praxis zu einer unnötigen Komplexität führen. Insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe könnten Schwierigkeiten haben, die neuen Systeme zu verstehen und zu nutzen. Anstatt den Landwirten zu helfen, könnten die neuen digitalen Systeme zu einem zusätzlichen Stressfaktor werden, der die ohnehin schon angespannte wirtschaftliche Lage vieler Betriebe weiter verschärft.
Fazit
Die Broschüre zur Digitalisierung des Schweizer Agrar- und Ernährungssektors präsentiert auf den ersten Blick eine positive Vision einer effizienteren und moderneren Landwirtschaft. Die beschriebenen Ziele – wie die Reduzierung des administrativen Aufwands, die Förderung der Innovationskraft und die Schaffung eines nachhaltigen, datenbasierten Sektors – erscheinen vielversprechend. Allerdings wirft die oberflächliche und vage Darstellung der Vorteile Fragen auf.
Die in der Broschüre genannten Vorteile sind oft nur allgemein beschrieben, ohne konkrete Beispiele oder greifbare Erklärungen, wie diese in der Praxis aussehen könnten. Es bleibt unklar, wie genau Landwirte und Konsumenten von den Massnahmen profitieren sollen. Wenn die Vorteile der Digitalisierung lediglich in abstrakten Begriffen wie "Transparenz", "Effizienz" oder "Vereinfachung" beschrieben werden, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass potenzielle Probleme und Herausforderungen absichtlich nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Ein solcher Mangel an konkreten Beispielen deutet oft darauf hin, dass Ungereimtheiten und Probleme im Hintergrund existieren könnten, die bei einer genaueren Betrachtung deutlicher hervortreten würden.
Besonders kritisch ist die Frage, wie sicher der Datenschutz gewährleistet werden kann und ob die neue Abhängigkeit von zentralen digitalen Systemen wirklich eine Entlastung bringt oder letztlich zu mehr Kontrolle und bürokratischem Aufwand führt. Auch die vermehrte Überwachung durch digitale Technologien könnte die betriebliche Freiheit der Landwirte einschränken und sie stärker unter Druck setzen, den Vorgaben der staatlichen Behörden zu folgen. Der vermeintliche Nutzen für die Konsumenten bleibt ebenfalls unkonkret, und es ist zu befürchten, dass die zusätzlichen Kosten der Digitalisierung am Ende auf sie abgewälzt werden.
Es ist daher ratsam, die in der Broschüre beschriebenen Massnahmen mit grösster Vorsicht zu betrachten. Die unkonkrete Darstellung der Vorteile könnte darauf hinweisen, dass die möglichen negativen Konsequenzen – wie steigende Kosten, zunehmende Überwachung und bürokratische Hürden – bewusst im Hintergrund gehalten werden. Umso wichtiger ist es, die Implementierung der Digitalisierungsstrategie kritisch zu verfolgen, um sicherzustellen, dass sie nicht zu unnötigen Belastungen für Landwirte und Konsumenten führt.
Insgesamt zeigt sich, dass die Ziele der Digitalisierung zwar gut klingen, die tatsächlichen Auswirkungen jedoch sorgfältig beobachtet werden müssen. Es besteht die Gefahr, dass die Digitalisierung des Agrar- und Ernährungssektors weniger eine Erleichterung als vielmehr eine zusätzliche Last wird, insbesondere für kleinere Betriebe, die nicht über die Ressourcen verfügen, um sich an diese neuen Anforderungen anzupassen. Die vagen Beschreibungen der Vorteile und die fehlende Auseinandersetzung mit möglichen Risiken sollten als Warnsignal dienen, dieses Vorhaben mit einem kritischen Blick zu begleiten und sicherzustellen, dass es tatsächlich denjenigen zugutekommt, die es betrifft.